Badener Tagblatt, Aargauer Zeitung 2014

Ein frischer Fisch schiesst beim Festival «Jazz geht Baden» den Vogel ab

Melancholisch-einlullendes Spiel: Die Isländer Oskar Gudjonsson und Skuli Sverrisson (von links) bei ihren Auftritt «Jazz geht Baden».

Schon zum sechsten Mal ging das hochkarätige Minifestival «Jazz geht Baden» über die Bühne. Die stärksten Eindrücke hinterliessen insbesondere einheimische Bands.

Charlie Parker war 34 Jahre alt, als er 1955 starb, Django Bates kam fünf Jahre nach Parkers Tod auf die Welt. Parker war ein Genie. Bates ist ein Tausendsassa. Für Parker war der Jazz ein existenzielles Abenteuer, seine Improvisationen waren atemberaubend, halsbrecherisch, aufwühlend.

Für Bates ist der Jazz ein postmodernes Puzzle. Was der britische Pianist bei seinem Auftritt in der Stanzerei im Rahmen der 6. Ausgabe von «Jazz geht Baden» mit der Musik von Parker anstellte, war eine Verschlimmbesserung im Zeichen überkandidelter Cleverness.

Und so ging beim letzten Konzert von «Jazz geht Baden» der Jazz tatsächlich baden – wenn auch in einem luxuriösen Whirlpool. Das war allerdings nicht so schlimm, kam man doch zuvor bei diesem mit viel konzeptionellem Feinsinn programmierten 2-tägigen Minifestival in den Genuss von sehr viel aufgeweckter Musik – beim melancholisch-einlullenden Schöner-Spielen-Duo der Isländer Oskar Gudjonsson und Skuli Sverisson wäre man allerdings am liebsten in einem Bett ins Reich der Träume hinübergedämmert.

Da luden etwa zwei ganz unterschiedliche Solokonzerte zum Staunen ein. Christian Wolfarth präsentierte sich als Meister der asketischen Klangforschung und führte dabei den Begriff Schlagzeuger ad absurdum: Zumeist strich er seine drei Becken nämlich mit dem Geigenbogen. Dagegen entlockte John Voirol seinen Saxofonen ein faszinierendes Sammelsurium an Klängen: zuweilen spröde, doch meistens sehr ausdrucksstark.

Souveränität und Risikofreude

Die stärksten Eindrücke hinterliessen zwei einheimische Bands, die gezwungen waren, mit Auswechselspielern anzutreten. Die Sängerin Claire Huguenin ersetzte in ihrer Band Jibcae einen Bassisten durch einen Schlagzeuger, wodurch das spezielle Soundscape (u.a. mit Harfe und Elektropiano) neue Akzentuierungen erhielt. Huguenin gehört wie Björk oder Fiona Apple zur raren Spezies von Sängerinnen, die trotz extravagant-exzentrischer Exaltiertheit natürlich wirken – bei einigen ihrer Stücke und Texte kommt allerdings die Originalität etwas plakativ daher.

Dagegen verfügen die mal elegischen, mal fröhlichen Miniaturen des agil-bärbeissigen Saxofonisten Donat Fisch über eine ähnliche innere Logik und Eigenwilligkeit wie die Stücke des Jazzvisionärs Ornette Coleman. Bei Fischs Auftritt mit einem langjährigen Weggefährten (Bänz Oester am Bass) und einem prominenten Auswechselspieler (Jorge Rossy am Schlagzeug) hielten sich Souveränität und Risikofreude die Balance: Bravissimo!

Tom Gsteiger

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